125 Jahre Kirchenchor St. Mariae Geburt

 

 

Im Jahr 2014 durfte der Chor der Pfarrgemeinde St. Mariae Geburt auf das 125jährige Bestehen seiner Chorgemeinschaft zurückblicken.

 

Nach Aussagen des ältesten noch vorhandenen Protokollbuches aus dem Jahr 1895 wurde der Chor St. Mariae Geburt im November 1889 gegründet, und zwar als Männerchor. Auf dem Katholikentag 1868 in Bamberg wurde der Allgemeine Deutsche Cäcilien-Verein ins Leben gerufen, in dem sich Laien zusammenschlossen mit dem Ziel, die Kirchenmusik zu erneuern. Überall bildeten sich daraufhin Chöre, so auch in der damals größten Pfarrei des Erzbistums Köln, St. Mariae Geburt.

 

Offensichtlich nahm sich der neu gegründete Chor mit großem Eifer der Gestaltung der Gottesdienste an, ab 1909 bis 1937 unter der Leitung des Dirigenten Rainer Herrmanns. Durch die Kriegszeit nach 1914 wurde die Chorarbeit stark beeinträchtigt. 26 von 33 Sängern wurden eingezogen, auch Dirigent Herrmanns verließ die Gemeinschaft.

Das Gemeindeleben in dieser Periode wurde maßgeblich von Pastor Jakobs geprägt, der die Pfarre von 1919 bis 1931 leitete. Seine „Vaterliebe“ galt dem Chor, der ihn als Präses schätzte. In diese Zeit fällt der Neubau der Marienkirche – ein großes Ereignis für die Gemeinde. Eingeweiht wurde die neue Kirche am 10. März 1929. Der Chor sang eine Messe von Joseph Gabriel Rheinberger, damals ein zeitgenössischer Komponist.

 

Am 31. Januar 1937 wurde Dirigent Herrmanns verabschiedet. Ihm folgte Karl Erdle am 4. März 1937 ins Dirigentenamt. Der Wechsel in der Chorleitung brachte schon bald einschneidende Veränderung: Der Männerchor genügte Karl Erdle nicht. Zur Erweiterung des Repertoires und vor allem, um Werke alter Meister erarbeiten zu können, drang er auf die Umwandlung des Kirchenchores in einen gemischten Chor. Dem Aufruf folgten erstaunlich viele Frauen – 42 in der ersten Probe –, so dass trotz anfänglicher Schwierigkeiten – einige Männer verließen aus Protest den Chor – die Chorarbeit in neuer Besetzung fortgeführt werden konnte.

 

Es lag eine gewisse Tragik über den Jubiläen des Chores: 1914 musste das 25-jährige Jubiläum wegen Ausbruch des I. Weltkriegs ausfallen und auch 1939 zerstörte der II. Weltkrieg die Vorbereitungen des Goldenen Jubiläums.

Nach dem Wiederaufbau der 1943 stark zerstörten Marienkirche lieferte die Bonner Orgelbaufirma Klais 5 Jahre nach Kriegsende eine neue Orgel. Das 20-registrige Instrument fand, wie die im Krieg zerstörte Vorgängerorgel, den Platz auf der zweiseitig geöffneten Chor- und Orgelempore links vom Altarraum. Von dieser Chorempore, in räumlicher Nähe zu Altar und Kanzel, gestaltete der Chor bis 1972 die Liturgien.

 

Nach 18 Jahren Tätigkeit in Mülheim ging der hochverdiente Kantor Karl Erdle nach Köln zurück, um an der dortigen Musikhochschule eine Professur anzutreten. Im September 1955 übernahm Kantor Josef Heiermann die Leitung des Chores. Er sollte in den folgenden 34 Jahren den Kirchenchor St. Mariae Geburt entscheidend prägen.

Im darauffolgenden Jahr 1956 verstarb Pfarrer Heinrichsbauer, der 24 Jahre Pfarrer an St. Mariae Geburt war. Sein Nachfolger, auch Präses des Chores, wurde Siegfried am Zehnhoff.

 

Das entscheidende Ereignis in dieser Zeit ist die Neuordnung der Liturgie durch das II. Vatikanische Konzil, mit weitreichenden Konsequenzen für die kirchenmusikalische Praxis. Neu ist die Abkehr von der Ausschließlichkeit der lateinischen Messformulare, vor allem aber die Wiederentdeckung der versammelten Gemeinde als Trägerin der Liturgie, als gegliederte Gemeinschaft mit je eigenen Rollen und Diensten. Die Kirchenmusik hat dadurch eine grundsätzliche Aufwertung erfahren: Sie dient nicht nur der Umrahmung des Gottesdienstes, sie ist selbst Liturgie, denn sie ist Mitverkünderin der Frohen Botschaft. Kantor Josef Heiermann hat als Chorleiter und Kirchenmusiker Pionierarbeit geleistet. Er prägte nicht nur als Dozent eine Generation von Kirchenmusikern im Sinne des II. Vaticanums, sondern gerade eben seinen Kirchenchor und die gesamte Kirchenmusik, nicht nur in St. Mariae Geburt, auch bistumsweit.

 

Ein weiterer wichtiger Höhepunkt in der Geschichte der Kirchenmusik an St. Mariae Geburt war die Einweihung der großen neuen Klais-Orgel mit 49 Registern am 16. April 1972. Mit dem neuen Standort der Orgel auf der großen Südempore fand auch der Chor dort seinen neuen liturgischen Wirkungsplatz.

 

Zum Ende der Ära Josef Heiermann durfte der Chor mit seinem Chorleiter im Jahre 1989 sein 100jähriges Bestehen feiern. Es erschien eine umfangreiche Festschrift und zahlreiche Festkonzerte, ein Festhochamt sowie die Verleihung der „Palestrina-Medaille“ für den Kirchenchor St. Mariae Geburt hoben das Jubiläumsjahr hervor. Der Höhepunkt war die Chorfahrt nach Rom, die noch heute den Chorsängerinnen und -sängern in bester Erinnerung ist. Ende 1989 ging Kantor Heiermann in den wohlverdienten Ruhestand, wirkte aber als Chorleiter und Organist ehrenamtlich weiter. Er verstarb am Karfreitag des Jahres 2009.

 

Im Jahre 1990 übernahm Jörg Stephan Vogel das Kantorenamt an St. Mariae Geburt. Nachdem der damalige Bischof von Essen, Dr. Hubert Luthe, Kantor Jörg Stephan Vogel zum Leiter der Bischöflichen Kirchenmusikschule berufen hatte, endete nach nur vier Jahren im Oktober 1994 seine Amtszeit. Ihm verdankt die Gemeinde die Etablierung eines jährlich stattfindenden Orgelfestivals, die „Orgeltage an St. Mariae Geburt“.

 

Seit nunmehr zwanzig Jahren leitet Jens-Christian Vogel als Kirchenmusiker und Chorleiter den Kirchenchor St. Mariae Geburt.

Im Laufe seiner Dienstzeit durfte sich der Chor einer stetig wachsenden Mitgliederzahl erfreuen. Die nunmehr 66 Chorsängerinnen und -sänger erarbeiten ein breit gefächertes Repertoire. Das Fundament der Chorarbeit ist nach wie vor die mehrstimmige Gestaltung der Hochfeste und Sonderliturgien des Kirchenjahres. Darüber hinaus kann sich der Chor verstärkt mit der Auseinandersetzung und Erarbeitung zyklisch angelegten oratorischen Werken widmen: "Via crucis" von Franz Liszt, M.A. Charpentiers "Te Deum", J.S. Bachs Kantatenwerken, seiner "Johannes-Passion“ im Jahre 1999 und 2011 und dem "Weihnachtsoratorium" im Bach-Jahr 2000, Mozarts "Requiem" im Jahre 2003 und 2010, dem Kantatenzyklus "Membra Jesu Nostri" von D. Buxtehude , Haydns "Schöpfung", im Jahr 2009 mit der Gesamtaufführung des "Messias" von G.F. Händel und im letzten Jahr 2013 die Aufführung des Oratorium „Paulus“ von Mendelssohn-Bartholdy. Die Oratorien der Kirchenmusikgeschichte sind Zeugnisse unseres humanistischen Kunsterbes, Musik gewordenes Bekenntnis unserer christlichen Wurzeln und Kompositionen höchster musikalischer Qualität. Der Kirchenchor leistet hier in seinen zahlreichen Konzerten dadurch für Pfarrei, Stadt und Region auch einen wichtigen, nicht Liturgie bezogenen, Beitrag zum gesellschaftlichen Kulturleben.

 

In den Jahren 2006/ 2007 wurde das Bistum Essen mit schmerzhaften Einschnitten umstrukturiert. Besonders bitter hat es die Kirchenmusik im gesamten Bistum getroffen: Arbeitsverträge der Kirchenmusiker wurden gekürzt oder gar gekündigt. Die Folge war und ist das Sterben vieler Chorgemeinschaften.

Die Gemeinde St. Mariae Geburt hat schmerzlich erfahren müssen, dass die Umstrukturierung große Opfer verlangte: 2006 wurde die Filialkirche St. Raphael profaniert; der Kirchenchor musste sich auflösen. Dankbar ist der Chor St. Mariae Geburt, dass sich viele „Raphaelaner“ unserer Chorgemeinschaft angeschlossen haben.

 

Der Kirchenchor hat in seiner Geschichte bislang drei Mal Erfahrungen mit Radiogottesdiensten sammeln können: In den Jahren 1972, 2002, 2007 und 2015 übertrug der Westdeutsche Rundfunk eine Eucharistiefeier aus St. Mariae Geburt.

 

Der gesellschaftliche Aspekt spielt im Chorleben eine wichtige Rolle: In jedem Jahr wird mit einem Fest die Ehrung von Mitgliedern des Chores durchgeführt für 10, 25, 30, 40 oder gar 50 Jahre Mitgliedschaft.

Nicht vergessen werden darf hier das beliebte „Bratwurstessen“ am Schluss der Probensaison, vor der großen Sommerpause. Gesellige Highlights sind damals wie heute die ein- und mehrtägigen Chorausflüge, die mit großem Aufwand vom Chorvorstand vorbereitet und organisiert werden. In diesem Jubiläumsjahr 2014 darf sich der Chor wieder auf einen mehrtägigen Ausflug freuen.

 

Die Gemeinschaft der zum Lobe Gottes musizierenden Mitglieder unserer Gemeinden ist nicht zuletzt eine Bereicherung der Liturgie, sondern auch hörbares Zeichen eines aktiven Gemeindelebens, das ohne das so wichtige ehrenamtliche Engagement in Zukunft nicht lebensfähig sein wird!. Darüber hinaus ist das gesungene Wort, stellvertretend für die ganze Gemeinde in kunstvoller Form vorgetragen, unverzichtbares Mittel zur Verkündigung des „Eu-Angelion“, des Evangeliums. Die Freude über diese Frohe Botschaft kann nicht in Worten allein ausgedrückt werden, deshalb muss gesungen werden.

Bei aller Ernsthaftigkeit, aller frommen Liturgiebezogenheit zur Ehre Gottes, macht es aber den SängerInnen einfach Spaß und Freude, wundervolle Musik kennenzulernen und sie in einer großen Gemeinschaft zu singen: genauso schön, wie an Hl.Abend „O du fröhliche“ zu singen, auch wenn es – im strengen liturgischen Sinne – gar kein Weihnachtslied ist.

(Jens-Christian Vogel)

 

Kirchenchor St. Mariae Geburt 2011. Aufführung der Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach
Kirchenchor St. Mariae Geburt 2011. Aufführung der Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach